Thank you for sharing the rainbow with me – Reisebericht aus Zanskar
- REISEBERICHT
… sagte der Mann zu mir, nachdem ich ihm den Regenbogen gezeigt hatte, den ich nach meiner morgendlichen Meditation am Dach unseres Guesthouses über mir entdeckt hatte. Wir hatten die erste Nacht in Leh verbracht, in einem hübschen kleinen Guesthouse in traditionell-tibetischem Baustil. Die Luft war kalt und klar. Unser Hausherr statte zur selben Zeit dem Haustempel am Dach des Hauses seinen allmorgendlichen Besuch ab und ich zeigte ihm den Regenbogen. Später am Tag entdeckte ich, dass sich der Regenbogen, welcher immer noch da war, um die ganze Sonne zog – ein Phänomen das man Halo bezeichnet, wie ich später erfuhr.
Der Regenbogen begleitete uns die ganze Reise über. Das beeindruckendste Erlebnis diesbezüglich war sicherlich im Kloster Stongde oder Tongde. Als wir an einem Vormittag den steilen Anstieg zum Kloster bewältigt hatten, waren wir sehr überrascht kaum Mönche anzutreffen. Lediglich ein alter Mönch saß im Klosterhof und hielt seine Morgenpuja. Nachdem wir einige Tempelräume besichtigt hatten und im Innenhof im Schatten rasteten, dem Singsang des Mönchs lauschend und die Schönheit des Platzes genießend, erfuhren wir, dass alle Mönche runter ins Dorf gegangen waren, um der Zeremonie zur Verabschiedung eines alten und hohen Lamas beizuwohnen. Vor einer Woche war er in Meditation gegangen und hatte in dieser Zeit seinen Körper verlassen. Wann er genau „gestorben“ war, konnte niemand sagen. Beim Weg zurück ins Dorf konnten wir von oben die Versammlung der Mönchen und Dorfbewohnern sehen und es zog mich magisch dorthin. Als wir den Fuß des Berges wieder erreicht hatten, kam ein junger Mann auf uns zu und sagte: „Come, Rashu invites you for lunch!“ Ich sagte ihm, es müsse sich um eine Verwechslung handeln, denn wir kennen hier niemanden. Der junge Mann, bei dem es sich wie wir später herausfanden, um den Neffe des Verstorbenen handelte, blieb beharrlich und so fanden wir uns wieder, inmitten rezitierender Mönche, welche auf einem überdachten Platz vor einem Haus saßen, aßen und tranken.
Das ganze Dorf hatte sich versammelt, um der Verabschiedung des alten Lamas beizuwohnen. Angehörige kamen mit dicken Bündeln von Geldscheinen und gingen durch die Reihen der Mönche, um jeden von ihnen mit einem Schein zu versehen. Nach einer Weile stoppte das Singen, alle standen auf und aus Hörnern und Muscheln erklang ein eindringlicher und tiefer Ton. Nun wurde der Verstorbene – noch immer in Meditationshaltung und mit Tüchern umhüllt – aus dem Haus getragen und auf eine Art Thron gesetzt. Die Familie und später alle Anwesenden, gingen nun zu dem Thron und überhäuften den Körper des Toten mit Katas – den weißen Segenstüchern. Die Frauen weinten und wehklagten und generell blieb kaum ein Auge trocken. Wir beobachteten das ganze Geschehen mit großer Rührung und Erstaunen. Übrigens war Rashu der verstorbene Lama. Also hatte uns er zum Essen eingeladen.
Nachdem sich alle verabschiedet hatten, luden die Männer den Thron mitsamt dem Körper auf einen Geländewagen und brachten ihn zu einem Verbrennungsort. Nur die Männer und Kinder folgten, die Frauen blieben im Dorf zurück. Wir beobachteten den Vorgang von der Ferne. Nachdem der Körper in Brand gesetzt wurde, gingen die Bewohner bis auf ein paar rezitierende Lamas, wieder zurück ins Dorf zu den Frauen und nun wurde Tee getrunken.
Ein Phänomen von dem ich immer wieder gehört hatte war, dass sich der Körper eines sehr hoch spirituell entwickelten Praktizierenden in Regenbogenlicht auflösen könne. Lediglich Haare, Zähne und Nägel blieben dann als sterbliche Überreste zurück. Ich sprach darüber mit einer amerikanischen-buddhistischen Nonne, welche mir dieses Phänomen bestätigte. Bei diesem Gespräch saß auch ein junger Schweizer am Tisch, der unserem Gespräch und meiner Schilderung über die Verabschiedung des alten Lamas in Stongde lauschte. Seine Augen wurden immer größer. Der Schweizer lebte seit ein paar Monaten in Stongde, um dort eine Dorfschule zu errichten und nun stellte sich folgendes heraus: Der Lama, dessen Verabschiedung wir beigewohnt hatten, löste sich zwar nicht in Regenbogenlicht auf, aber während der ganzen Woche seiner Meditation beobachtete der junge Schweizer staunend Tag für Tag einen wunderschönen Regenbogen, der seinen Bogen über das Kloster zog. Er hatte ihn sogar fotografiert und nun zeigte er uns begeistert das Foto vom Kloster Stonge mitsamt dem Regenbogen!
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Weite, Raum & Freude
Nachdem wir uns in Leh 3 Tage akklimatisiert hatten, machten wir uns auf nach Padum in Zanskar. Die Fahrt dorthin dauerte 2 Tage, wovon wir den 2ten Tag rumpelnd auf einer staubigen Piste, oft Furten durchquerend, verbrachten. Die Landschaft war atemberaubend schön! Wir fuhren über Pässe und durch weite Täler, begleitet von schneebedeckten Riesen. Auf dem Weg sahen wir ein Rudel Wölfe, Murmeltiere, Adler und natürlich immer wieder Pferde, grasend auf den Weiden oder fertig bepackt, um irgendwo Touristengruppen aufzugabeln und als Lastenpferde dienlich zu sein.
Dann endlich erreichten wir Padum. Keine aufregende Stadt. Aber das weite offene Tal in dem es lag und durch den sich der Zarap seinen Weg bahnte, war wunderschön. Nach wenigen Tagen in Padum stellte ich erstaunt fest, dass ich so etwas wie einen „Gehirndurchfall“ erlitten hatte, denn in meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Ich war einfach da, mit dem was gerade war. Keine Gedanken an zu Hause, an die Zukunft, keine Sorgen, nichts. Maximal was ich als nächstes essen könnte.
Wir durchwanderten die Gegend, besuchten Klöster – unter anderem Karsha, wo wir einem bunten Klosterfest beiwohnten und Stongde (siehe erster Bericht) – und so nach und nach schlichen die Landschaft, mit ihrer offenen Weite und das Lachen der Menschen in unsere Zellen und Herzen. Überall wurde gelacht! Die jungen Mönche scherzten miteinander und lachten. Die Mädchen auf der Straße kokettierten freudig und selbstbewusst mit den Jungs und die Alten saßen an den Straßenecken und begrüßten uns mit einem fröhlichen „Jullay“! Noch nirgendwo hatten wir uns so willkommen, sicher, geborgen und verbunden mit allem gefühlt.
Ich bin überzeugt, dass die buddhistische Grundhaltung der Freundlichkeit und des Mitgefühls deutlich seine Wirkung zeigte, denn wie anders erlebten wir später z. B. Kargil oder Dehli.
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Von Mönchen, fliegenden Yogis & und unvorhersehbaren Herausforderungen
Als wir uns auf den Weg zum Felsenkloster Phuktal machten, folgten wir sozusagen den Spuren unserer Vorfahren. Sowohl meine Mutter, als auch meine Schwiegereltern besuchten schon diesen magischen Ort. Mein Schwiegervater – ein sehr bodenständiger und „handfest“ Mann – erzählte, dass er von einer großen Feierlichkeit oder Mystik ergriffen wurde, als er sich dem Kloster näherte. So etwas hätte er noch nie zuvor erlebt. Ein befreundeter Fotograf der uns viel von Zanskar erzählte, war sogar der erste, der Fotos von diesem wunderschönen Felskloster veröffentlichte. Er verbrachte vor ca. 40 Jahren einen Winter in Zanskar und war entscheidend mitverantwortlich dafür, dass wir dieses Land bereisten. Der Legende nach fanden 3 Brüder eine Quelle in einer Höhle und ließen sich dort nieder, um ihren spirituellen Praktiken nachzugehen. Die Höhle war so gelegen, dass sie den ganzen Tag über von der Sonne beschienen wurde. Viele Jahre meditierten sie dort und erlangten schließlich Erleuchtung. Durch die Lüfte flogen sie dann davon, bis im 15. Jhd. Sherap Zangpo aus Tibet kommend, nun auch in Ladakh und Zanskar die „buddhistische Gelbmützenschule“ verbreiten wollte. Als drei „mystische Wesen“ wiesen die fliegenden Yogis Sherap Zangpo den Weg nach Phuktal. Damit war der Grundstein für das spätere Kloster gelegt. Nach und nach wurden kleine Häuser an die Wände der steil in den Himmel ragenden Felsen gebaut, wie Schwalbennester. So wurde das Kloster immer größer. Heute leben dort ca. 70 Mönche und 20 Novizen.
Den Weg nach Phuktal mussten wir uns hart erkämpfen. Nachdem wir per Anhalter mit dem Jeep bis vor den Zustieg des Klosters getrampt waren, mussten wir feststellen, dass Jaron krank war. Wir fanden uns auf einer staubigen, sich durch die Berge schlängelnden Bergstraße wieder, unter uns ein tosender Fluss, ober uns die brennende Sonne und neben uns, unser sich übergebender kleiner Sohn! Und das alles irgendwo im nirgendwo. Anfangs hielten wir die Übelkeit für eine Folge der wilden Jeep Fahrt, was sich leider als Irrtum herausstellte. So brauchten wir für einen Fußweg, den wir normalerweise in zwei Stunde zurückgelegt hätten, einen halben Tag.
Am nächsten Morgen wollten wir die letzten 2 Stunden zum Kloster gehen, damit Jaron sich dort erholen und wieder zu Kräften kommen könnte. Den Plan weiterzuwandern hatten wir längst begraben. Der restliche Weg zum Kloster wurde uns als sehr gemütlich vermittelt. Nur flach dahin oder etwas bergab, wurde uns versichert. Also erschien uns das die beste Lösung baldmöglichst einen Erholungsort für unseren Sohn zu finden. Christoph hatte den Morgen fluchend und schimpfend verbracht. Der Benzinkocher verweigerte in dieser Höhe seine Dienste. „Großartig“, dachte ich mir „ein fluchender Mann, ein krankes Kind, die brennende Sonne über uns, das ganze auf einem staubigen Dorfplatz mit eher unfreundlichen Bewohnern und kein Frühstück im Magen!“ Kurzerhand ging ich mit dem Kochtopf zum nächstbesten Haus und erbat unseren Milchreis dort kochen zu dürfen. Gestärkt brachen wir dann auf und erreichten langsam die erste Bergkuppe. „Haaaa – jetzt nur mehr bergab oder gemütlich dahingehen!“, dachte ich mir.
Anfangs war dem auch so. Nach und nach wurde der Weg jedoch immer schmäler, bis sich bald nur mehr ein schmaler Pfad oder Pfädchen durch das steile Tal schlängelte. Die Landschaft fiel steil als Geröllfeld ab und unten toste der Zarab. „Ein falscher Tritt und …!
Bloß nicht nach unten schauen!“
Da Jaron immer noch sehr schwach und wackelig auf den Beinen war trug Christoph 2 Rucksäcke. Der Pfad war so schmal, dass wir Jaron nicht an der Hand nehmen konnten. So ging ich vor ihm und Christoph hinter ihm, allzeit bereit in bei den Schultern zu packen. Ich hatte schreckliche Angst, beschimpfte mich innerlich für unseren Leichtsinn und rezitierte unablässig Schutzmantren. Das Kloster wollte und wollte nicht näherkommen. Es war wie verhext. Jael marschierte sicheren Schrittes voran, ihrem Namen (Bergziege) alle Ehre machend, Jaron kämpfte tapfer weiter und Christoph und ich beteten für das baldige Erscheinen des Klosters. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir endlich nach 3 Stunden die Herberge am Fuße des Klosters, die wir für die nächsten 3 Tage nicht mehr verließen. Die Herberge und unser Campingplatz wurde vom Kloster geführt und so tummelten sich viele Novizen und Mönche am Gelände. Die kleinen Jungen in ihren roten Roben freundeten sich schnell mit Jaron an und so wurde Fußball gespielt – mit einer leeren Plastikflaschen – oder Steinweitwurf geübt. Auffallend war die stetige Heiterkeit der Mönche. Es wurde gelacht und gescherzt oder sich klatschend auf die Schultern geschlagen und wieder lauthals gelacht. Als wir mit einem 23 Jahre jungen Mönch sprachen, der seit 8 Jahren hier in Phuktal lebte meinte er, er sei hier sehr glücklich. Ein besseres Leben könne er sich nicht vorstellen.
Wir waren nur eine Hand voll Touristen, die mehrere Tage hier zubrachten. Die meisten wurden zwei Gehstunden vor dem Kloster von einem Jeep abgesetzt und nach einem farbenfrohen Fotoshooting im Kloster, waren sie auch schon wieder weg. Eines Morgens wollten wir der Morgenzeremonie im Kloster beiwohnen und so fanden wir uns mit ein paar anderen Touristen gegen 7.00 im Kloster ein. Einige der Reisenden waren mit mehreren Kameras bewaffnet und ohne viel Taktgefühl wurden die riesigen Objektive den Mönchen unter die Nase gehalten. Die kleinen Novizen rächten sich damit, dass sie Grimassen schnitten oder die Zunge zeigten. Christoph empfand so eine Abneigung gegen diese Respektlosigkeit, dass er gleich verschwand und ich ihn später in der Teeküche bei dem jungen Mönch sitzend wiederfand. Ich war dankbar über mein dezentes Handy, um auch ein paar Fotos zu machen. Als wir nach 3 Tagen schweren Herzens Phuktal verließen, erfuhren wir, dass eine Straße bis zum Kloster bereits in Arbeit war. Wir fragten uns, wie lange die Mönche uns dann wohl noch ihren Ritualen beiwohnen lassen würden? Ob sie weiterhin so interessiert und freundlich auf Fremde zugehen würden? In anderen Klöstern, die einfach mit dem Minibus zu erreichen waren, war fotografieren im Kloster bereits verboten und die Atmosphäre ähnelte eher einem „Zoobesuch“ – wie es Christoph bösartig bezeichnete – als dem Besuch einer heiligen Stätte.
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Freud & Leid – so eng beisammen
Nachdem wir Phuktal verlassen hatten blieben uns noch wenige Tage, um uns auf den Trek vorzubereiten und alle Lebensmittel und vor allem einen funktionierenden Kocher zu organisieren. Wir genossen nochmals die feine ladakhische Küche und machten uns dann auf zu unserem Ausgangspunkt, wo wir auf unseren Horseman treffen sollten. Dorthin zu gelangen stellte sich als nicht so einfach heraus. Mit einem Jeep ließen wir uns bis ans Ende des Tals bringen von wo aus eine Brücke zu unserem Ausgangspunkt, dem Dorf Pishu, führte. Mit Sack und Pack standen wir nun an der Brücke und wussten nicht so recht, wie wir ohne Pferde all die Sachen zum ca. eine Stunde entfernten Pishu tragen sollten. Nach kurzer Überlegung war uns klar, dass wir nicht in der Lage waren alles auf einmal zu tragen und so mussten die Kinder mit einer Hälfte des Gepäcks am Fluss warten, bis Christoph und ich die erste Ladung nach Pishu gebracht hatten. Dort wartete ich dann im Schatten eines Hauses, während Christoph wieder alles zurücklief und die Kinder samt dem restlichen Zeugs holte. Der Campingplatz in Pishu war wunderschön und die Wiese – zu welcher Yaks, Schaft, Esel und Pferde zum Grasen kamen – erinnerte an einen Golfrasen. Eine einsame Jurte stand dort und das Zelt eines überaus netten Kanadiers. Dort schlugen wir unsere Zelte auf und warteten voller Aufregung und Ungeduld auf den Pferdemann. Würde er auch kommen?
Der nächste Tag war Christophs Geburtstag und wir ließen ihn hochleben. Torte gab es in Ermangelung einer Küche nicht. Den Tag verbrachten wir damit das schöne Wetter zu genießen und durch die Gegend zu streunen. Auf unserem Weg entdeckten wir eine zugemauerte Einsiedelei. Jaron war ganz verzaubert von diesem Ort. Gegen Abend hin wurden wir schön langsam unruhig, da der Pferdemann samt Pferden nicht in Sicht war. Also gingen Christoph und ich ihm entgegen und siehe da, er kam. Welche Freude! Oder doch nicht? Als er mit seinen 4 Pferden nahte erkannte ich bereits von der Ferne, dass ein Pferd lahmt. Bei näherer Betrachtung verschlug es mir die Sprache. Das Pferdchen lahmte nicht nur, auch hatte es eine offene Wunde auf der Schulter. Mit Müh und Not folgte es den anderen Pferden. Mir war klar: „Mit dem Pferd gehe ich keinen Meter!“ Als ich den Pferdemann darauf ansprach, meinte dieser nur: „No Problem!“ Da war ich aber anderer Meinung und mir wurde schlagartig klar, in welcher Lage wir uns befanden. Der Guide einer anderen Gruppe verdeutlichte uns unsere Situation: entweder wir würden mit diesem Horseman und diesen 4 Pferden gehen oder gar nicht! Ich brauchte lange das zu akzeptieren. Wir hatten alles versucht: dem Horsman extra Geld geben, um das Pferd nach Hause bringen zu lassen oder es hier unterzubringen. Mit Eseln gehen. Einen anderen Horseman finden – alles chancenlos. Entweder wir würden mit diesem Pferdchen gehen oder wir könnten wieder zusammenpacken und das, wegen dem wir eigentlich hier waren, nämlich durch Zanskar zu wandern, abhacken. Wut und tiefe Trauer erfüllten mich und ich hatte den Eindruck, dass sich mir schlagartig die harte und herausfordernde Seite dieses wunderbaren Land präsentierte. Das Leben in Zanskar ist nicht nur schön, sondern auch hart! Jedes dritte Kind stirbt bevor es das drittes Lebensjahr erreicht. Verletzte Pferde müssen arbeiten so lange sie können!
Ohnmächtig dieser Situation ausgeliefert liefen mir die Tränen herunter und als mir dann noch der Kanadier erzählte, dass wir Flüsse zu durchqueren hätten, welche den Kindern bis zur Brust gingen, war ich völlig am Boden zerstört. Christophs Geburtstagsabend wurde nun zum abscheulichsten aller Abende. Ich konnte nicht schlafen und meine Freude auf den Trek, war Ängsten und Sorgen gewichen. Wenn das verletzte Pferd schon mitmusste, so wollte ich wenigsten alles mir mögliche für sein Wohlbefinden beitragen. So begann ich nun morgens und abends seine Wunde zu versorgen und es mit Heilmantren zu besingen. Im Laufe unserer Wanderung kamen dann auch andere Pferdeführer zu mir, um sich Medizin zu besorgen.
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Früh am Morgen wachten wir auf und ich erzählte Christoph von meinen Ängsten und Befürchtungen die Wanderung betreffend. Ich hielt uns für verrückt mit den Kindern so einen Trek zu unternehmen. Christoph sah mich an und meinte, ich solle mir keine Sorgen machen. Alles wird gut. Und ich glaubte ihm. Als bald darauf ein riesiger Adler über unseren Köpfen flog, sah ich darin ein gutes Omen.
Nachdem unsere Zelte zusammengepackt und die Pferde beladen waren gingen wir los. Anfangs führten wir die Pferde der Kinder, was sich schnell als unnötig herausstellte. Ohne weiteres ließen die beiden Pferde sich von Jaron und Jael reiten oder über steile Wegpassagen führen. Das war natürlich großartig! Es gab ihnen ein Gefühl der Eigenständigkeit und sie waren stolz darauf „alleine“ durch den Himalaya zu reiten. Auch verbrachten sie auf diese Weise viel Zeit zu zweit, ohne sich in die Haare zu kriegen. Christoph und ich genossen indes unsere Zweisamkeit – von der es auf Familienreisen wenig gibt – wandernd und plaudernd.
Mit der Zeit ergab sich folgendes Bild unserer kleinen Karawane: Tenzi, unser Pferdeführer mit den zwei Packpferden an der Spitze, dann lange nichts. Danach kamen die Kinder auf ihren Pferden. Bei jedem Pass warteten sie geduldig auf uns. Dann kam meistens Christoph .….., lange nichts .…., und dann .…… irgendwann .…… ich. So zuckelten wir beharrlich Tag für Tag durch den Himalaya, jeden Tag einen Pass oder sogar zwei überquerend. Die Natur war atemberaubend schön! Kaum stießen wir auf andere Wanderer oder Gruppenreisende. Am ehesten trafen wir andere motivierte Geher bei Schlafplätzen. Auf eine Touristengruppen von ca. 3 Personen, kamen dann etwa 7 Pferde und ebenso viele Betreuer, bestehend aus Guide, Pferdeführern, Helfern und Köchen. Das war natürlich Luxus pur. Wenn die Wanderer abends am Schlafplatz eintrafen, standen ihre Zelte bereits fix und fertig eingerichtet. Bald darauf wurde ihnen ein mehrgängiges Menü auf kleinen Tischen mit Tischtuch kredenzt. Da lief uns immer wieder mal neidisch das Wasser im Mund zusammen, wenn wir bei unserem allabendlichen Essen – bestehend aus „Baklsuppn“, Kartoffelpüree oder Reis mit Dal – saßen. Die Kinder hatten Glück. Die erregten manchmal das Mitleid der üppig versorgen Touris und staubten einen Kuchen oder Müsliriegel ab.
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Das Gehen war oft sehr kräftezehrend, die Natur extrem – heiß oder kalt, trocken und staubig – und mir flogen nur so die Kilo von den Rippen. Erschöpfung machte sich zumeist abends bemerkbar, nachdem die Zelte aufgebaut waren. Während Christoph – unser Guide und Koch – dabei war das Essen für seine hungrigen Mäuler vorzubereiten, lag ich oft völlig k.o. im Zelt und einmal schaffte ich es nicht mehr aufzustehen. Gegen Mitte unserer Wanderung fanden wir heraus, dass ein Frühstück und ein Abendessen, mit ein paar getrockneten Marillen oder Traubenzucker zwischendurch, einfach zu wenig für uns war. Also fütterte uns Christoph nun mittags mit den Resten vom Vorabend oder Frühstück. So ging es viel besser!
Die Stille der Berge legte sich in unsere Herzen. Die Natur und wir waren offen und weit und sehr still. Wie eine Dauermeditation. Es gab nichts zu denken, nichts zu planen und nichts zu tun, außer einen Fuß vor den anderen zu setzen.
Die Träume vom guten, abwechslungsreichen Essen wurden mit der Zeit mehr und mehr. Jael ließ es sich auch nicht nehmen uns täglich von der Schule zu erzählen und worauf sie sich schon zu Hause freue. Jaron schien sehr eins mit dem hier und jetzt. Er genoss es an kleinen Bächen Dämme zu bauen, Steine zu sammeln oder mit Tieren zu spielen.
Wir waren schnell. Nach nur 8 Tagen hatten wir unser Ziel erreicht und unser Pferdemann – mitsamt seinen Pferden – verließ uns, um sich auf den Heimweg zu machen. Wir waren bereits 6 Stunden gegangen. An diesem Tag mussten auch die Kinder viel gehen, da die Wege sehr steil und felsig waren. Auch einen 5.000er hatten wir schon hinter uns gelassen. Nun – ohne Pferde – musste wieder jeder seinen eigenen Rucksack schultern, um die 12 Kilometer entfernte Hauptstraße zu erreichen.
Wir waren in einem kleinen Dorf. Ein Unwetter, das wir zwei Tage zuvor von der Ferne beobachten konnten, hatte die einzige Zufahrtsstraße an mehreren Stellen verschüttet. Mittlerweile war die Straße wieder halbwegs passierbar und wir hofften auf einen Lift. Leider kam kein einziges Auto vorbei, um uns mitzunehmen. So marschierten wir die enge Schlucht hinaus. Eine Stunde, zwei Stunden, .… Wir motivierten die Kinder mit Geschichten und der Aussicht auf ein weiches Bett und gutem Essen, sollten wir es bis zur Hauptstraße schaffen. Nach 3 Stunden erreichten wir endlich die Hauptstraße und ein jeder von uns – außer Christoph – war an seine absolute Grenze gekommen. Ich war nach dem 9‑Stunden-Marsch so erschöpft, dass ich mitsamt meinem Rucksack einfach auf der Straße in die Knie ging. Aber unsere Strapazen wurden belohnt. Nach ca. einer halben Stunde kam ein riesiger, stinkiger LKW der uns in den nächsten Ort mitnahm. In Lamayuru angekommen wurden wir mit heißer Dusche, weichen Betten und gutem Essen beglückt und alles war wieder gut!
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Gemeinschaft
Nachdem wir Lamayuru verlassen hatten, kehrten wir zurück nach Leh und bezogen ein hübsches großes Zimmer mit Balkon, in einem traditionell-tibetischem Haus und Blick auf den Gemüsegarten. Dort ließen wir für ein paar Tage die Seele baumeln und berauschten uns an den Köstlichkeiten der indischen Küche. „Hmm!“, war das lecker!
Nach und nach fehlten uns aber die Natur und das Gehen und sogar das wunderbare Essen verlor seinen Reiz – zumindest erging es Christoph und mir so. Also brachen wir auf ins Nubravalley (Tal der Blumen). Der Weg dorthin führt über die bis vor kurzem – die Chinesen errichteten kürzlich eine noch höhere Passstraße – höchste Passstraße der Welt, über den Khardung La Pass (5.400 m!!!).
Die Straße schlängelte sich aus dem Tal in welchem Leh eingebettet liegt hinaus und wir saßen inmitten der Einheimischen, bei lautstarker indischer Musik, ganz vorne im Bus. Ganz, ganz vorne, also in der Fahrerkabine, sind die Sitzplätze den Frauen vorbehalten. Dort saßen nun Junge und Alte und obwohl sie sich nicht zu kennen schienen, wurde gelacht und herumgealbert. Hin und wieder ging eine der Frauen durch den Bus und verteilte an alle Mitreisenden kleine Äpfelchen oder getrocknete Marillen. Als der Bus anhielt, um einen kleinen Knirps mitsamt Papa einsteigen zu lassen, staunte ich nicht schlecht. Der Papa reichte mir seinen etwas 3 Jahre alten Sohn in die Hände und anstelle selbst auch einzusteigen, blieb er winkend zurück. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, hatten mir die Damen aus der Fahrerkabine den Jungen aus den Händen genommen und sich auf ihre mütterlichen Schöße platziert. Dort blieb er auch für die nächsten 7 Stunden und wechselte nur von Zeit zu Zeit den Schoß. Ich war total von den Socken! Das konnte ich mir als europäische Mama so ganz und gar nicht vorstellen, wie man so ein kleines Kind einfach für eine Fahrt, die um die 7 Stunden dauerte, wildfremden Menschen anvertrauen konnte? Nicht so in Ladakh. Der Gemeinschaftssinn tickt hier noch ganz anders. Nicht nur teilen sie ihr Obst mit allen Mitreisenden, nein, sie hüten auch fürsorglich die Kinder „fremder“ Menschen. Ich war sprachlos!
Die restliche Fahrt verbrachte ich unter anderem damit herauszufinden, ob der Kleine, welcher die ganzen 7 Stunden keinen einzigen Mucks von sich gab und lediglich das Essen genoss, das ihm bisweilen in die kleinen Händchen gereicht wurde, irgendjemanden kannte? Es schien nicht so. Das indische Gedudel wechselte plötzlich auf tibetische Mantrenmusik und so hielt auf einmal eine sehr meditative Stimmung Einzug in unseren Bus. Die Alten nahmen ihre Gebetsketten in die Hand und rezitierten singend mit. Es war wunderschön!
Während all dem kämpfte sich unser vollbepackter Bus Kehre um Kehre auf den Khardung La hinauf. Die Straße wurde schlechter, bis schließlich der Asphalt aufhörte und dann kam der Schnee… Ich dachte lieber nicht an die Reifen des Busses, da sie einer Winterreifentauglichkeit mit Sicherheit nicht standgehalten hätten und genoss lieber die Landschaft.
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ABSCHLUSS
Kürzlich saßen Christoph und ich am Morgen kaffeeschlürfender Weise zusammen und sinnierten über Zanskar. Schnell hatte sich ein neues Projekt in unseren Köpfen zusammengebraut. Die Idee war für 3 Monate nach Zanskar zu gehen, um dort an Projekten mitzuarbeiten, wie z. B. Englischunterricht an Nonnenklöstern oder Schulen in Dörfern aufbauen. Vor unseren geistigen Augen waren wir schon voll in Aktion, bis Christoph meinte: „Und was glaubst du sagen die Kinder dazu?“.…..Ach ja, die Kinder! Die hatte ich für einen kurzen Moment völlig vergessen. Naja, wird wohl doch noch einige Jahre dauern, bis wir dieses Land wiedersehen. Bei unseren Teenies steht jetzt etwas Anderes am Programm, als in die Weite, Stille und den Raum von Zanskar und seinen Menschen einzutauchen.
Und das brachte mich zu einer ganz entscheidenden Frage: „Ist es nicht möglich, diesen besonderen Zauber von Zanskar, der sich vor allem durch die 3 Attribute: Weite, Stille und Raum kennzeichnen lässt, hier bei uns zu erfahren und zu leben?“ Natürlich steht Zanskar für viel mehr als das, wie beispielsweise die Schönheit der Natur und die herausragende Offenheit, Freundlichkeit und Gelassenen seiner Bewohner.
Mein Wunsch ist es voll und ganz die Qualitäten von Weite, Stille und Offenheit in mir – unabhängig von meiner Umgebung – wachzuküssen und zu kultivieren. Leicht fällt es mir nicht. Alleine 6 Wochen an keinem Computer zu sitzen, Mails zu beantworten, etc. erleichterte es meinem Kopf ungemein sich in die geistige Hängematte zu legen und es gut sein zu lassen. Ganz anders ist es jetzt wieder als selbständig arbeitende Yogini, Hausfrau und Mutter. Da wird es ganz schnell eng…
Was ich mir für uns alle wünsche, ist mehr Zeit zum Staunen & zum Lachen. Das bewusste Genießen von freudigen Begegnungen mit unseren Mitmenschen, innehalten und wieder staunen. Sonnenaufgänge bewundern und sich erfreuen an all den Geschenken die wir täglich erhalten.
Dann rückt der Zauber von Zanskar schon ein gutes Stück näher!
„KI KI SO SO LAGYA LO!“ -
DIE GÖTTER MÖGEN SIEGEN!!!